Aufdeckung der Evidenzlücke: Orphan Drugs vs. Non-Orphan Drugs in der deutschen Bewertung von Gesundheitstechnologien

Seltene Erkrankungen und ihre Behandlung in der deutschen HTA
Für ODs wird ein medizinischer Zusatznutzen gesetzlich gewährt, und die Beurteilung des Ausmaßes basiert auf entscheidenden Nachweisen, ohne dass ein Vergleich mit einem ACT erforderlich ist. Wenn der Umsatz jedoch 30 Millionen Euro erreicht oder die Indikation den Status eines Orphan verliert, ist eine Neubewertung im Rahmen des Standardbewertungsverfahrens obligatorisch. Non-Orphan Drugs (Non-ODs), die zur regelmäßigen Nutzenbewertung verpflichtet sind, können ebenfalls einer Neubewertung unterzogen werden, entweder zwingend bei vorläufigen Entscheidungen (z.B. werden zusätzliche Daten vom G-BA angefordert) oder auf Antrag des Arzneimittelherstellers.
Die Nutzenbewertung ist die Grundlage für die Preisverhandlung für die Kostenerstattung zwischen dem Arzneimittelhersteller und dem GKV-SV-Spitzenverband. Nur Arzneimittel mit medizinischem Zusatznutzen können in der Preisverhandlung einen höheren Preis erzielen als die Kosten für die ACT. Innerhalb der ersten sechs Monate nach der Markteinführung kann der Hersteller den Einführungspreis frei festlegen, während der ausgehandelte Preis ab dem siebten Monat angewendet wird. Der Erstattungspreis für ein Medikament kann sich mit der Zeit weiter ändern, wenn Neubewertungen und neue Indikationen für das jeweilige Medikament die HTA und die anschließenden Preisverhandlungen durchlaufen.
Dieser Artikel untersucht die Ergebnisse einer eingehenden Analyse deutscher HTAs, die sich auf den Vergleich der Evidenzkriterien und der Preisgestaltung zwischen ODs und Nicht-ODs (sowohl für die Erstbewertung als auch für die Neubewertung) konzentriert, und zielt darauf ab, zu beleuchten, ob ODs im Vergleich zu Nicht-ODs keine Evidenz in HTA aufweisen.
In einer umfassenden Übersichtsarbeit wurden Nutzenbewertungen für ODs und Nicht-ODs von 2011 bis Mai 2024 aus einer Datenbank mit Daten des G-BA analysiert. Diese Analyse umfasste 959 Nutzenbewertungen. Davon handelte es sich bei 810 um Erstbewertungen von neu zugelassenen Arzneimitteln oder neu zugelassenen Indikationen eines Arzneimittels, während es sich bei 149 um Neubewertungen handelte, wobei einige Produkte für eine jeweilige Indikation mehr als einmal neu bewertet wurden. Die Analyse von 810 anfänglichen Nutzenbewertungen ergab, dass 27 % der Bewertungen ODs bewerteten, während 73 % Nicht-ODs waren. Insgesamt wurde für 15 % aller Bewertungen (7 % ODs und 8 % Non-ODs) eine Neubewertung durchgeführt.
Alle Neubewertungen wurden, falls zutreffend, mit der jeweiligen ursprünglichen Nutzenbewertung abgeglichen, um verwandte Bewertungen für dasselbe Medikament aufeinander abzustimmen. Die Daten wurden für ODs und Nicht-ODs extrahiert, wobei der Schwerpunkt auf Parametern wie der bewerteten Evidenz (Studientypen, Anzahl der Studien und Größe der Studien), dem Grad des gewährten Zusatznutzens und dem Preis lag. Die Evaluierungen konzentrierten sich auf Fälle mit einer Erstbewertung (60 ODs und 64 Nicht-ODs) und einer Neubewertung (54 ODs und 70 Nicht-ODs, was widerspiegelt, dass einige Arzneimittel den OD-Status aus der Prävalenzperspektive verloren und nach dem Standardverfahren als Nicht-ODs neu bewertet wurden) für eine bestimmte Indikation, um zu beurteilen, ob sich die Evidenz, das Nutzenniveau und der Preis zwischen der Erstbewertung und der Neubewertung geändert haben. und zum Vergleich zwischen ODs und Nicht-ODs.

Vergleichbarkeit der vorgelegten Nachweise für ODs und Nicht-ODs
Zunächst wurden die vom Hersteller vorgelegten klinischen Studien vom G-BA in allen OD-Bewertungen akzeptiert; die Mehrzahl der Studien (45/60 Fälle, 75 %) waren RCTs und 25 % (15/60 Fälle, 25 %) waren Nicht-RCTs (z. B. einarmige Studien, kleine Studiengrößen, Verwendung von Surrogat-Endpunkten). Bei einer Neubewertung der ODs in einer Standardnutzenbewertung sank der Anteil der akzeptierten RCTs und Nicht-RCTs auf 65 % (35 von 54 Neubewertungen) bzw. 13 % (7 von 54 Neubewertungen). In 12 der OD-Reassessments (22%) wurden die entsprechenden Studien vom G-BA nicht akzeptiert, was die verschärften Evidenzkriterien des Standardbewertungsverfahrens widerspiegelt. Die Nichteinhaltung des ACT könnte der Hauptgrund für diese Verschiebung sein.
Im Gegensatz zu ODs wurden nur sehr wenige Nicht-RCTs in Nicht-OD-Nutzenbewertungen akzeptiert (2/64 Erstbewertungen; 1/70 Rebewertungen). Daher scheinen Nicht-RCTs für ODs eher akzeptiert zu werden als für Nicht-ODs. Darüber hinaus wurden die Nachweise des Herstellers in allen OD-Erstbewertungen akzeptiert, während die vorgelegten Studien in 18 Bewertungen und Neubewertungen von Nicht-ODs zurückgewiesen wurden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei OD-Assessments immer zulassungsrelevante Studien gesetzlich anerkannt werden.
Abbildung 1. Verteilung des Studientyps auf ODs und Nicht-ODs in der Erstbewertung (IA) und Neubewertung (RA)

Schlüssel: Folgenabschätzung – Erstbewertung; Nein. –Zahl; OD – Orphan Drug; RA – Neubewertung; RCT – randomisierte kontrollierte Studie.
Anmerkung: Sechs ODs, die ursprünglich als ODs bewertet wurden, wurden aufgrund des Verlusts des OD-Status als Nicht-OD neu bewertet (*vier ehemalige ODs hinzugefügt; **reduziert um drei ehemalige ODs; ***zwei ehemalige ODs hinzugefügt).
Darüber hinaus gab es, und wenig überraschend, eine positive Korrelation zwischen einer erhöhten Größe der Studienpopulationen und der Verfügbarkeit einer RCT (Daten nicht gezeigt).
Verteilung des gewährten Zusatznutzens für ODs und Nicht-ODs in der Ersteinschätzung
Abbildung 2. Gewährter Zusatznutzen bei Ersteinschätzungen

Schlüssel: Nein. –Zahl; OD – Orphan Drug.
Nutzenbewertungen führen zu einer Senkung der Erstattungspreise (ähnlich wie bei ODs und Non-ODs)

Orphan Drugs: Abwägung zwischen hohen Kosten und aussagekräftigen Beweisen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Medikamente, die für seltene Krankheiten entwickelt wurden, erhebliche Herausforderungen für Hersteller und HTA-Behörden darstellen. Während "Bewertungsprivilegien" die Verfügbarkeit von Therapien für schwer zu behandelnde seltene Erkrankungen verbessern, ist Vorsicht geboten, wenn evidenzbasierte medizinische Kriterien angewendet werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass trotz der Hindernisse, mit denen ODs konfrontiert sind, qualitativ hochwertige Evidenz in Form von RCTs erbracht wird. Das HTA-System erkennt jedoch die gelegentliche Undurchführbarkeit von RCTs im Bereich der seltenen Krankheiten an und lässt gleichzeitig mehr Spielraum bei der Akzeptanz von Nicht-RCTs in OD-Bewertungen.
Obwohl in diesem Artikel nicht auf die Rechtfertigung der hohen Preise für ODs, ihre Wirksamkeitskorrelation oder die Gründe für den gewährten Zusatznutzen eingegangen wurde, ist eine weitere Evaluierung erforderlich, um diese Schlüsselaspekte und ihre Komplexität innerhalb des deutschen Gesundheitssystems zu analysieren. Das Zusammenspiel zwischen den Kosten von ODs, der Stärke der Evidenz, die sie bieten, und dem Nutzen, den sie für die Gesundheitssysteme bringen, bleibt ein komplexes und sich entwickelndes Thema, das eine kontinuierliche Prüfung und Analyse erfordert.
Quellen
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Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Seltene Erkrankungen. 2024. Abgerufen am 4. September 2024. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/seltene-erkrankungen.html
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Bundesministerium der Justiz (BMJ). Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V). Abgerufen am 4. September 2024. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__35a.html
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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Preis- und Kostenentwicklung von Orphan Drugs; Arbeitspapier [online]. 2024. Abgerufen am 19. September 2024. https://dx.doi.org/10.60584/GA22-01
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