Leistungsorientierte Preisgestaltung: Wie AMNOG die finanzielle Belastung der gesetzlichen Krankenkassen und die Erstattung innovativer Arzneimittel in Deutschland in Einklang bringt
Preisgestaltung von Arzneimitteln in Deutschland – AMNOG, ein ehemaliger Game Changer, entwickelte sich zu einem akzeptierten und transparenten HTA-Verfahren
Pharmazeutische Innovationen haben in den letzten Jahrzehnten zu einer deutlichen Verbesserung der Therapien für Patienten in Deutschland und weltweit geführt. Gleichzeitig stiegen die Gesundheitsausgaben deutlich an. Die Überwindung des Zwiespalts zwischen der Kostenerstattung für Arzneimittelhersteller und der Ausgabenbelastung für die nationalen Gesundheitssysteme wurde in vielen Ländern zu einer Herausforderung. In Deutschland wurde dieser Problematik durch die Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) Rechnung getragen, das die Nutzenbewertung von Arzneimitteln regelt. Gleichzeitig wurde mit Preisverhandlungen für patentierte Arzneimittel ein neues, marktorientiertes Instrument in das deutsche System eingeführt, das eng mit dem Ergebnis der vorherigen Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verknüpft ist.
Seit dem 1. Januar 2011 sind Arzneimittelhersteller bei der Markteinführung gesetzlich verpflichtet, sich einer Nutzenbewertung gegenüber einer bestehenden Standardtherapie zu unterziehen (die sogenannte adäquate Vergleichstherapie). Das AMNOG-Verfahren gilt auch für neu zugelassene Indikationen eines bereits bewerteten Arzneimittels.
Am Tag der Markteinführung müssen die Hersteller beim G-BA ein Dossier einreichen, das auf den besten verfügbaren klinischen Nachweisen in der Indikation des Arzneimittels im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie basiert. Die Nutzenbewertung erfolgt dann durch den G-BA und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf Basis des bereitgestellten Dossiers. Die Nutzenbewertung erfolgt für alle Patientengruppen, für die das Medikament zugelassen ist (Label-Population). Gegebenenfalls kann der G-BA die Label-Population aber auch in Subpopulationen einteilen, die sich im Ausmaß des gewährten medizinischen Zusatznutzens unterscheiden können. Zur Beurteilung des Ausmaßes des medizinischen Zusatznutzens werden sechs Kategorien definiert: "groß", "erheblich", "gering", "nicht quantifizierbar", "kein Zusatznutzen" oder "weniger".
Orphan Drugs (OD) sind eine Ausnahme in der AMNOG, und es gelten besondere Regeln. Ein medizinischer Zusatznutzen wird durch die Zulassung vermutet. Die Bewertung basiert nur auf der zulassungsrelevanten Evidenz, ohne dass ein Vergleich mit einer geeigneten Vergleichstherapie erforderlich ist. Lediglich das Ausmaß des medizinischen Zusatznutzens muss noch beurteilt werden. Übersteigt der Umsatz jedoch 30 Mio. € pro Jahr oder wird der OD-Status entzogen, entfällt die Ausnahme, und das Orphan Drug muss die "Standard"-Nutzenbewertung im Vergleich zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie durchlaufen.
Die Entscheidung über den medizinischen Zusatznutzen durch den G-BA ist entscheidend für den künftigen Erstattungspreis des Arzneimittels. Den Einführungspreis kann das Pharmaunternehmen frei festlegen, der in den ersten sechs Monaten nach Markteinführung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird. Der Erstattungspreis ab dem siebten Monat richtet sich nach dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Pharmaunternehmen und dem GKV-SV-Spitzenverband, die im Anschluss an die Nutzenbewertung durch den G-BA beginnen. Dabei kann der endgültige Listenpreis durch mehrere Determinanten (siehe unten) beeinflusst werden, wobei der gewährte medizinische Zusatznutzen das entscheidende Kriterium ist. Einen höheren Preis als die entsprechende zweckmäßige Vergleichstherapie kann der Hersteller nur dann erfolgreich aushandeln, wenn ein medizinischer Zusatznutzen besteht. Aber auch andere Aspekte wie die Größe der Label-Population, die unterschiedlichen Nutzenniveaus der Untergruppen, die Deckung eines ungedeckten klinischen Bedarfs oder die Preise, die in anderen Ländern der Europäischen Union für das Medikament gezahlt werden, werden berücksichtigt. Daher wird im Folgenden der Einfluss der Höhe des medizinischen Zusatznutzens auf den ausgehandelten Rabatt untersucht.
Medizinischer Nutzen – Was wissen wir aus den AMNOG-Bewertungen des letzten Jahrzehnts?
In dieser Studie wurde eine Datenbank analysiert, die alle ausgewerteten AMNOG-Bewertungen enthielt. Seit Inkrafttreten des AMNOG im Jahr 2011 bis November 2023 wurden insgesamt 944 AMNOG-Bewertungen durchgeführt. Es wurde eine qualitative und quantitative Analyse durchgeführt, um potenzielle Prädiktoren zu identifizieren, die sich auf die Preisverhandlungen auswirken. Zu diesem Zweck wurde die Höhe des medizinischen Zusatznutzens mit dem Rabatt verglichen, der als Differenz zwischen dem Einführungspreis und dem endgültigen Listenpreis definiert ist. Da Orphan Drugs bei der Nutzenbewertung und den Preisverhandlungen Ausnahmen gewährt werden, wurden sie separat bewertet.
Die Bewertung des vom G-BA gewährten Nutzenniveaus für Non-Orphan Drugs (n=677) ergab, dass die Mehrzahl der Bewertungen keinen medizinischen Zusatznutzen für das Medikament ergab (53%). Nur 41,4 % erhielten einen medizinischen Zusatznutzen (d. h. "groß", "erheblich", "geringfügig" oder "nicht quantifizierbar"). Für Orphan Drugs (n=189) wird jedoch ein Zusatznutzen gesetzlich gewährt und den meisten Bewertungen (65%) wurde ein "nicht quantifizierbarer" Nutzen zugesprochen. Eine zusätzliche Analyse zeigte, dass die Mehrheit der Orphan Drugs, die nach Überschreiten der Umsatzschwelle oder nach dem Entzug des OD-Status (n=78) verpflichtet waren, sich einer "standardmäßigen" Nutzenbewertung zu unterziehen, "keinen medizinischen Zusatznutzen" erhielten (51 %), während 17 % einen "nicht quantifizierbaren" Nutzen erhielten und 33 % entweder einen "erheblichen", "geringfügigen" oder "großen" Zusatznutzen erreichten (Abbildung 1).
Abbildung 1. Höchster Zusatznutzen für: Nicht-Orphan-Arzneimittel (A), Arzneimittel für seltene Leiden (B) und neu bewertete Arzneimittel für seltene Leiden (C) in einer der bewerteten Subpopulationen im Rahmen einer Nutzenbewertung
Belohnung therapeutischer Innovation – Nutzenbewertung und Kostenerstattung
Ein vom G-BA attestierter medizinischer Zusatznutzen zahlt sich aus. Es wurde eine Korrelation zwischen dem gewährten medizinischen Zusatznutzen und dem Rabatt nach Erstattungsverhandlungen festgestellt. Die höchsten Rabatte (32 %) auf den Einführungspreis wurden für Nicht-Orphan-Medikamente gewährt, denen "kein Zusatznutzen" gewährt wurde. Umgekehrt führte ein höherer medizinischer Zusatznutzen zu einem geringeren Rabatt, insbesondere bei Arzneimitteln, die einen "großen" Nutzen (9 % Rabatt) oder einen "erheblichen" Nutzen (20 % Rabatt) erhielten (siehe Abbildung 2 A).
Um Innovationen im Bereich der seltenen Erkrankungen zu fördern, ist der Zusatznutzen für Orphan Drugs bereits durch die Zulassung vorgegeben und es muss nur noch das Ausmaß des Zusatznutzens beurteilt werden. Die Höhe des Abschlags entsprechend dem definierten Nutzenniveau ist sowohl für Orphan- als auch für Nicht-Orphan-Arzneimittel ähnlich (z. B. 11 % vs. 9 % für Arzneimittel, denen ein hoher Nutzen gewährt wird) (siehe Abbildung 2 B). Bei Orphan-Arzneimitteln, die die Umsatzschwelle überschritten, führte die Neubewertung des Zusatznutzens jedoch zu höheren Abschlägen auf den Markteinführungspreis, z. B. bis zu viermal höher als bei Nicht-Orphan-Arzneimitteln auf der Ebene eines "großen" Nutzens (siehe Abbildung 2 C). Dadurch wird sichergestellt, dass ein Gleichgewicht zwischen Innovation und Ausgaben im Gesundheitssystem gewahrt bleibt, da es sich bei Orphan Drugs in der Regel um sehr teure Produkte handelt.
Abbildung 2. Erstattungspreisverhandlungen: Der gewährte Zusatznutzen hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe des Rabatts auf den ursprünglichen Herstellerpreis
Obwohl AMNOG bei seiner Einführung kritisch diskutiert wurde, ist es heute ein etabliertes Verfahren mit einem hohen Maß an Transparenz und Planbarkeit sowohl für das biopharmazeutische Unternehmen als auch für das Gesundheitssystem. Im Gegensatz zu anderen Ländern ermöglicht AMNOG in Deutschland einen ungehinderten, uneingeschränkten und verzögerungsfreien Marktzugang für neu zugelassene Medikamente.
Grundsätzlich werden verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland für alle gesetzlich versicherten Patienten sofort nach der Markteinführung erstattet, wobei der Hersteller in den ersten sechs Monaten nach der Markteinführung kostenlos vergütet wird. Der Endpreis richtet sich nach dem vom G-BA gewährten medizinischen Zusatznutzen und den jährlichen Kosten der entsprechenden Vergleichstherapie. Die Auswirkungen dieser Kostendämpfungsregelung, die der Zweck des AMNOG ist, wurden in unserer Analyse deutlich. Für Produkte, die keinen Zusatznutzen aufwiesen, waren höhere Rabatte auf den Einführungspreis erforderlich als für Produkte mit einer günstigeren Bewertung, und noch höhere Rabatte gab es für Arzneimittel für seltene Leiden, die nach Überschreiten der Umsatzschwelle neu bewertet wurden. Darüber hinaus wurden niedrigere Rabatte für Orphan Drugs mit nachgewiesenem Zusatznutzen gewährt. All dies soll therapeutische Innovationen belohnen und die klinische Forschung in Indikationen fördern, in denen ein hoher ungedeckter klinischer Bedarf besteht. Wurde jedoch die Umsatzschwelle für Orphan Drugs überschritten, mussten auch bei nachgewiesenem Zusatznutzen, der auf das relativ höhere Preisniveau von Orphan Drugs zurückzuführen sein könnte, höhere Rabatte gewährt werden.
Vor dem Hintergrund der hohen Verfügbarkeit von neu zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland und des schnellen Zugangs von Patienten zu diesen Medikamenten nach der Zulassung im europäischen Kontext deutet diese Analyse darauf hin, dass die gesundheitspolitischen Ziele des AMNOG zu funktionieren scheinen: ein Gleichgewicht zwischen Kostendämpfung, Deckung des ungedeckten klinischen Bedarfs und Förderung von Innovationen.
Quellen
Bundesministerium für Gesundheit. Die Spreu vom Weizen trennen – Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Dezember 2010. Abgerufen am 22. März 2024. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Broschuere_Die_Spreu_vom_Weizen_trennen_ _Das_Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz.pdf
G-BA. AMNOG – Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V. Abgerufen am 22. März 2024. https://www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/nutzenbewertung-35a/
GKV-Spitzenverband. Das AMNOG. Abgerufen am 22. März 2024. https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/arzneimittel/verhandlungen_nach_amnog/rabatt_verhandlungen_nach_amnog.jsp
Lauer-Taxe®. Abgerufen am 2. Dezember 2023. https://portal.cgmlauer.cgm.com/LF/Seiten/ Verwaltung/Kundencenter/1.aspx
Vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen. AMNOG. Zugegriffen: 22. März 2024. https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/amnog
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